Hilfestellung, Beratungsangebot und Musterdienstanweisung zur nachhaltigen Beschaffung für Kommunen in der Metropolregion Rhein-Neckar
Die bundesländerübergreifende Initiative Rhein-Neckar Fair fördert den Fairen Handel und Nachhaltigkeit in der Metropolregion Rhein-Neckar. Zur Stärkung der fairen und nachhaltigen Beschaffung mit dem Ziel, diese systematisch in der Beschaffungspraxis zu berücksichtigen, bietet Rhein-Neckar Fair den Kommunen der Metropolregion eine Hilfestellung zur nachhaltigen Beschaffung, eine bearbeitbare, rechtliche geprüfte Musterdienstanweisung sowie ein kostenloses Beratungsangebot:
- Hilfestellung nachhaltige Beschaffung
Obwohl viele Kommunen in Deutschland den Titel „Fairtrade-Town“ tragen und damit ein Bekenntnis zu fairem Handel und nachhaltigem Konsum abgeben, zeigt die Praxis, dass die Umsetzung einer umfassenden nachhaltigen Beschaffung oft mit erheblichen Herausforderungen verbunden ist. Häufig beschränkt sich das Engagement auf symbolische Maßnahmen, wie den Ausschank von fair gehandeltem Kaffee bei Ratssitzungen, während tiefgreifende strukturelle Veränderungen in der Beschaffung ausbleiben. Ursachen hierfür sind unter anderem begrenzte personelle Ressourcen, fehlendes Fachwissen sowie Unsicherheiten bezüglich rechtlicher Rahmenbedingungen.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen und Kommunen in der Region Rhein-Neckar bei der Umsetzung nachhaltiger Beschaffungspraktiken zu unterstützen, wurde im Rahmen der Rhein-Neckar Fair-Jahreskonferenz 2024 (mit Vertreter:innen aus mehr als 20 Fairtrade-Towns) angeregt, eine umfassende Hilfestellung zu entwickeln. Diese richtet sich an Fairtrade-Towns sowie alle interessierten Kommunen der Metropolregion RheinNeckar, unabhängig von ihrer Größe oder bisherigen Erfahrungen im Bereich nachhaltiger Beschaffung. In den nachfolgenden Steuerungskreissitzungen wurde der Auftrag bekräftigt und inhaltlich weiterentwickelt.
Die Hilfestellung umfasst:
- Eine kontextuelle Einordnung sowie eine strukturierte Zusammenfassung des Engagements zum Fairen Handel und der nachhaltigen Beschaffung in der Region Rhein-Neckar.
- Argumente für eine faire und nachhaltige Beschaffung
- Möglichkeiten für Kommunen, trotz unterschiedlicher landespolitischer Vorgaben, nachhaltige Beschaffung gemeinsam zu gestalten.
- Praxisbeispiele aus der Region oder den Bundesländern Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz zu relevanten Produktgruppen.
- Drei zentrale Angebote für eine praxis- und prozessorientierte Verstetigung der fairen und nachhaltigen Beschaffung für die Kommunen in der Rhein-NeckarRegion:
- Eine übertragbare Muster-Dienstanweisung, die Kommunen als rechtssichere Grundlage nutzen können.
- Prozessberatung zur systematischen Einführung und Weiterentwicklung nachhaltiger Beschaffungsstrategien. o Vernetzungsmöglichkeiten über die regionale Plattform connect-mrn zur Förderung des kontinuierlichen Austauschs.
Die Hilfestellung baut auf der Musterdienstanweisung des Projekts „Rheinland-Pfalz kauft nachhaltig ein!“ (2023) auf und wurde gemeinsam mit Fairtrade Deutschland e.V., Werkstatt Ökonomie e.V. und Momentum Novum weiterentwickelt. Die juristische Prüfung erfolgte durch die Vergaberechtsanwältin Katja Gnittke und bestätigt die rechtliche Anwendbarkeit auch für Baden-Württemberg und Hessen.
- Musterdienstanweisung
In Kooperation mit dem Entwicklungspolitischen Landesnetzwerk Rheinland-Pfalz (ELAN) e.V. und der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) stellt Rhein-Neckar Fair eine modular aufgebaute Muster-Dienstanweisung zur Verfügung. Grundlage dafür ist die Musterdienstanweisung des Projekts „Rheinland-Pfalz kauft nachhaltig ein!“[1] aus dem Jahr 2023, die im Rahmen der Rechtsberatung der mitentwickelt und rechtlich geprüft wurde (siehe: Rechtsberatung faire Beschaffung – SKEW). Dieses Muster wurde von Rhein-Neckar Fair aufgegriffen, an einigen Stellen inhaltlich erweitert und unter Berücksichtigung der drei in der Metropolregion vertretenen Bundesländer (neben Rheinland-Pfalz auch Baden-Württemberg und Hessen) aktualisiert.
Das Muster ist nach einem Baukastenprinzip aufgebaut und gliedert sich in (1) den Anweisungstext selbst, (2) die Anlagen zur Spezifizierung und Erleichterung der Umsetzung sowie (3) ein Formular zur Dokumentation.
- Der Anweisungstext selbst gibt die Gesetzes- und Beschlusslage, den Geltungs- und Anwendungsbereich, Beschaffungsgrundsätze, Nachhaltigkeitskriterien im Vergabeverfahren und die vorgesehenen Verfahrensweisen wieder. Unter Beschaffungsgrundsätzen sind Nachhaltigkeitskriterien in den Bereichen Klima- und Umweltfreundlichkeit, geringer Ressourcenverbrauch und Abfallvermeidung sowie Einhaltung von Sozialstandards aufgeführt. Als Kommentare hinterlegte Anmerkungen unterstützen dabei, die Formulierungen an die Gegebenheiten der eigenen Kommune anzupassen. So kann beispielsweise auf die lokale Beschlusslage Bezug genommen werden, es lassen sich eigene Schwerpunkte bei den geforderten Nachhaltigkeitskriterien setzen und von der Kommune gewählte Verfahrensweisen konkretisieren.
- Alle spezifischen Anforderungen zur Nachweisführung, auch differenziert in einzelne Produktgruppen, sind in den Anlagen geregelt. Anlage 1 umfasst in einer Tabelle produktspezifische Kriterien und Nachweise zu Papier, Büromaterialien, Büromöbeln, Lebensmitteln, ITHardware und Textilien. Anlage 2 regelt die Nachweisführung zur Einhaltung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Insbesondere die Tabelle zu produktspezifischen Kriterien und Nachweisen kann so regelmäßig aktualisiert und erweitert werden, ohne dass der Anweisungstext selbst geändert werden muss. Die Tabelle hat besondere praktische Relevanz, da sie die Umsetzung im Vergabeverfahren erleichtert. Es bietet sich daher an, künftig noch weitere Produkte aufzunehmen.
- Das Formular-Muster zur Dokumentation entspricht der Struktur der Anweisung und der Anlagen 1 und 2 und kann beim Monitoring der Umsetzung einer nachhaltigen Beschaffung unterstützen.
Die Muster-Dienstanweisung spiegelt den Erfahrungs- und Wissenstand aus der Projektarbeit von „Rheinland-Pfalz kauft nachhaltig ein!“. Sie soll nun andere Kommunen als Ausgangspunkt für einen eigenen Prozess zur Verfügung stehen.
Weitere hilfereiche Leitfäden und Muster (darunter auch die Muster-Dienstanweisung von „Rheinland-Pfalz kauft nachhaltig ein!“ sind auf einer Unterseite zum Grundlagenwissen auf dem Kompass Nachhaltigkeit veröffentlicht: Leitfäden und Arbeitshilfen
[1] „Rheinland-Pfalz kauft nachhaltig ein!“ war von 2014 bis 2023 ein Kooperationsprojekt des Entwicklungspolitischen Landesnetzwerk Rheinland-Pfalz (ELAN) e.V. und der Landesregierung Rheinland-Pfalz, gefördert durch die Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW). Die Ergebnisse des Projekts sind in der Broschüre „10 Jahre Modellprojekt. Best of RHEINLAND–PFALZ KAUFT NACHHALTIG EIN!“ zusammengefasst
- kostenlose Beratung
Die vorgestellten Praxisbeispiele und die bereitgestellte Musterdienstanweisungen können wertvolle Hilfsmittel sein für die systematische Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in der Beschaffung. Für eine erfolgreiche Umsetzung in der eigenen Beschaffungspraxis ist jedoch ein kontinuierlicher Prozess erforderlich. Bei diesem unterstützt Rhein-Neckar Fair die Fairtrade-Towns und alle weiteren interessierten Kommunen der Metropolregion mit einem prozessorientierten Beratungsangebot. Dieses besteht im Wesentlichen aus einem jährlichen Beratungsgespräch, auf dessen Grundlage Rhein-Neckar Fair zielführende und machbare Umsetzungsempfehlungen erarbeitet, die auch auf die bestehenden Unterstützungsangebote auf Länder- und Bundesebene (vgl. Kapitel 4) zurückgreifen. Hierzu gehören insbesondere das Beratungsangebot der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) zur nachhhaltigen Beschaffung sowie derzeit auch das rheinland-pfälzische Tandem.Projekt zur nachhaltigen Beschaffung.
Die Beratung ist unabhängig davon, ob die Kommune noch ganz am Anfang steht oder sich bereits auf den Weg zu nachhaltiger Beschaffung gemacht hat. Entscheidend ist, sich auf den Prozess einzulassen und schrittweise voranzugehen:
Schritt 1: Erstberatungsgespräch in Präsenz
Mitwirkende: Berater Rhein-Neckar Fair, die zuständigen Mitarbeitenden der Kommune (z.B. Vergabestelle, Büroleitung, Nachhaltigkeitsbeauftragte)
Inhalte:
- Einführung in die Thematik
- Status Quo in der Kommune
- Handlungsmöglichkeiten (Schulungsmaßnahmen, Produktbereiche, strategische Verankerung, Öffentlichkeitsarbeit)
Schritt 2: Handlungsempfehlungen (für die nächsten 12 Monate)
Rhein-Neckar Fair erstellt auf Grundlage des Beratungsgespräch eine Empfehlung für die nächsten 12 Monate, die (mindestens) folgendes umfasst:
- Ein Produktbereich, in dem konkrete Schritte zu (mehr) nachhaltiger Beschaffung unternommen werden können (nach Möglichkeit Rückgriff auf Unterstützungsangebote auf Bundes-, Länder- oder regionaler Ebene)
- Eine Schulungsmaßnahme für Mitarbeitende (Rückgriff auf bestehende Schulungsangebote auf Bundes-, Länder- oder regionaler Ebene)
- Mögliche Maßnahmen zur Verankerung von nachhaltiger Beschaffung als Querschnittsthema
Schritt 3: Umsetzung der Handlungsempfehlungen durch die Kommune
- Unterstützung und Schulung durch bestehende Angebote
- Regelmäßige Reflexion des Prozesses (z.B. Telefon- oder Videokonferenz) mit RheinNeckar Fair mit den Verantwortlichen der Kommunen ein einem zuvor vereinbarten
Rhythmus (z.B. quartalsweise oder monatlich je nach Bedarf und Kapazität) Schritt 4: jährliches Beratungsgespräch (Präsenz):
Mitwirkende: Rhein-Neckar Fair, die zuständigen Mitarbeitenden der Kommune (z.B. Vergabestelle, Büroleitung, Nachhaltigkeitsbeauftragte) Inhalte:
- Update / Neuigkeiten zur nachhaltigen Beschaffung
- Update Status Quo in der Kommune (Vergleich mit dem Vorjahr, Erfahrungen aus der Umsetzung)
- Handlungsmöglichkeiten (Schulungsmaßnahmen, Vertiefung oder Erweiterung Produktbereiche, strategische Verankerung, Öffentlichkeitsarbeit)
Schritt 5: weiter mit Schritt 2
Im Rahmen der Steuerungskreissitzungen berichten die teilnehmenden Kommunen über ihre Erfahrungen. Rhein-Neckar Fair informiert über Entwicklungen und Erfolge auf der Webseite der Initiative und unterstützt dabei, positive Beispiele in Plattformen wie den Kompass Nachhaltigkeit einzupflegen und sowohl in der Öffentlichkeit als auch in Fachkreisen bekannt zu machen.
Die Erstberatung und die Methodik der Prozessbegleitungen basieren auf den Erfahrungen des Modell-Projekts „Rheinland-Pfalz kauft nachhaltig ein!“.
Es steht jährlich ein Kontingent für Prozessbegleitungen zur Verfügung. Ablauf und Umfang werden gemeinsam entsprechend des Bedarfs und der vorhandenen Kapazitäten festlegt.
Für weitere Informationen und zur Vereinbarung eines ersten Beratungstermins:
Dr. Stefan Dietrich (Eine-Welt-Zentrum Heidelberg e.V.)
Erik Dolch (Entwicklungspolitisches Landesnetzwerk Rheinland-Pfalz e.V.)
E-Mail: region@eine-welt-zentrum.de
Telefon: 06221 / 6527-552
